Vor einiger Zeit bin ich zum Feierabend Bier von Felix und seinen Kollegen gestossen. Einer davon erzählte mir, er lebe im „Land“. Das hat mich natürlich verwirrt, denn leben wir nicht alle in einem Land? Er klärte mich auf und sagte, dass es ein schweizerdeutscher Ausdruck sei. Er lebe in Liechtenstein und das nenne man eben „Land“. Und damit hat mich meine Neugierde gepackt. Ich wusste nichts über Liechtenstein und an diesem Tag entstand mein Plan dieses „Land“ zu besuchen.
Also packten wir unsere Sachen für einen spontanen Wochenendtrip nach Liechtenstein. Vom Aargau ist Liechtenstein rund 1h 45min entfernt. Sobald man das Ballungsgebiet Zürichsee hinter sich gelassen hat, wird die Strecke auch sehr schön. Man fährt vorbei am Walensee und biegt bei Sargans ab ins Rheintal. Dann ging es über eine Brücke und zack waren wir in Liechtenstein.
Hier gibt es keine grossen Distanzen. Der erste Ort war Balzer und binnen 20 Minuten waren wir schon in Vaduz, der Hauptstadt. Dort wollten wir aber erstmal nicht hin. Unser Ziel war es so schnell wie möglich in die Berge zu kommen. Durch einen Tunnel hindurch kamen wir nach Malbun. Dort dann der Schock für mich: Schnee! Mitte Mai und Schnee, der fast bis in den Ort reichte. Na danke auch. Wir schauten zu dem Berg, bei dem wir dachten es sei der Schöneberg, hinüber und sahen kein Schnee. Also starteten wir planmässig unsere Tour.
Zuerst ging es den Forscherweg entlang bis wir zur Abzweigung kamen. Rechts ging es weiter ins Valorschtal/Steg und links auf den Schöneberg. Ich sah schon erste Schneefelder und war skeptisch, Felix war zu dem Zeitpunkt aber noch optimistisch. Also wanderten wir weiter bis wir einen guten Blick auf den Rest des Wanderweges bekamen: alles voller Schnee. Ich sagte direkt Ade Schöneberg und drehte wieder um. Felix lief noch 10 Minuten weiter und stellte dann fest, dass auch er das nicht mit dieser Ausrüstung schaffen wird.
Wie Kirgisistan
Also liefen wir gemeinsam durch das Valorschatal. Ein sehr hübsches Tal mit noch wilder Natur und schönen Ausblicken:
Es erinnerte mich sehr an unsere Wanderungen in Kirgisistan. Diese unendlichen Weiten der Wälder und keine Zivilisation. Und wie in Kirgisistan lag auch noch in Liechtenstein Schnee. Zwar nur kleine Schneefelder, einige davon aber noch ziemlich tief. Natürlich landete ich auch auf dem Po, es war einfach zu glatt.
Unten im Tal hatte sich der Winter bereits verabschiedet und der Schnee war verschwunden. Die Natur erwachte wieder zum Leben und wir sahen 2 Murmeltiere und allerlei Blumen.
Wie Neuseeland
Wir folgten dem Weg bis zum Ort Steg und besuchten dort noch den schönen Gänglesee. Dort trafen wir auch zum ersten Mal Einheimische und Touristen, denn der See ist echt ein echter Hotspot. Die Seefarbe war unbeschreiblich schön und erinnerte mich sofort an den „Lake Pukaki“ oder an den „Lake Tekapo“ in Neuseeland. Mit meinem Handy konnte ich die Farbe aber leider gar nicht so einfangen. Liechtenstein fühlte sich an wie Neuseeland
Felix blieb in Steg und ich fuhr mit dem Bus zurück nach Malbun. Ich war die einzige Mitfahrerin, was aber laut dem Busfahrer normal sei. Im Sommer ist in den Bergen einiges los, aber aktuell nicht.
Das Städle
Von Steg ging es weiter mit dem Auto nach Vaduz. Wir kamen zuerst am bekannten Schloss vorbei, was aber für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Also sind wir direkt in die Innenstadt gefahren und haben dort einen Spaziergang gemacht. Vaduz ist sehr gemütlich, sauber und klein. Wie eine Hauptstadt kommt es einem nicht vor, sondern eher wie ein nettes Dörfchen.
Wir machen es eben wie echte Schweizer
… denn zum Abendessen sind wir nach Österreich gefahren. Die Preise in Liechtenstein sind ähnlich wie in der Schweiz: teuer, teuer, teuer. Da Feldkirch, die erste österreichische Stadt an der Grenze, nur 15 Minuten von unserem Hotel entfernt war, fuhren wir dorthin und speisten ungefähr für die Hälfte des Preises, den wir in Liechtenstein hätten bezahlen müssen. Nicht nur das, auch die Stadt an sich ist eine Reise wert gewesen. Die Innenstadt ist sehr hübsch und an einem Samstag Abend auch gut besucht. Im Gegensatz zu Vaduz, das war tagsüber schon sehr ruhig.
Wir blieben aber nicht lange in Feldkirch, sondern fuhren wieder zurück in unser Hotel um das Finale des ESC zu schauen. Wir waren zwar hundemüde, aber fieberten natürlich mit dem Schweizer Nemo mit, der letzendlich auch gewann.
Gut geplant, schlecht umgesetzt
Auaaa. Am Abend hatte ich es schon bemerkt, aber am nächsten Tag wurde es noch sichtbarer: Sonnenbrand. Felix und meine Waden waren knallrot, dazu kam bei mir noch der Nacken. Also hiess es für mich Schal und lange Hose tragen. Was schon in Ordnung war, denn wir wollten uns E-Bikes leihen und da bekommt man einen guten Fahrtwind. Der Plan war mit den geliehenen E-Bikes hoch nach Triesenberg zu fahren und dann weiter nach Balzers. Lets go.
Ausgeliehen haben wir sie per App schnell und hochmotiviert starteten wir zur ersten Steigung. Als erstes schrie Felix auf, dann ich. Was waren das für schlechte Velos? Die waren keinerlei Unterstützung, ganz im Gegenteil. Die Velos waren so schwer, dass es unmöglich war damit 500hm zu fahren! Wir waren beide echt sauer und überlegten was wir nun machen sollten…
Ab nach Balzers
Letzendlich entschieden wir uns am Rhein entlang nach Balzers zu fahren. Die Tour war landschaftlich sehr schön, aber die E-Bikes eine Katastrophe. Meiner Meinung nach waren es auch keine E-Bikes, sondern normale Velos… Aber naja, wir kamen in Balzers an und gaben sie dort wieder ab. In Sportkleidung, mit Fahrradhelmen und verschwitzt standen wir da und mussten auf die Toilette. Als wir sahen, dass das Gemeindehaus offen war, gingen wir hinein. Dort muss es ja eine Toilette geben! Gefühlt war ganz Balzers in diesem Gemeindehaus versammelt. Und alle sehr schick, mit Anzug und hohen Schuhen. Also gut, mittendurch zum Klo und wieder zurück. Ob wir dumm angesehen worden? Ja, definitiv, aber Peinlichkeit ist für uns ja ein Fremdwort.
Danach sind wir auf die Burg hinauf gelaufen, von der wir einen schönen Ausblick hatten
Die Abschlusswanderung
Ein wenig erschöpft von der Tour wollten wir noch nicht unseren Tag beenden. Wir fuhren stattdessen nochmal nach Triesenberg und von dort nach Gaflei. Dort ging es nochmal 250hm hoch hinauf auf einen Sattel, der zugleich auch der Mittelpunkt des Landes ist.
Ein guter Abschluss für einen wunderschönen Wochenendtrip. Liechtenstein ist definitiv zu empfehlen, wenn man in der Nähe ist. Das Land mit seinem Rheintal und den Bergen muss sich wirklich nicht verstecken… oder gar als Kanton der Schweiz abstempeln lassen. Das ist es nämlich definitiv nicht.
verfasst am 02.07. in der Schweiz