Abschied in Georgien

Nachdem ich 2,5 Wochen in Georgien verbringen durfte, es hiess nun langsam Abschied nehmen von dem Land. Unsere Fahrt ging dazu erstmal von Stepanzminda nach Tiflis. Nach dem Frühstück in Stepanzminda sind wir zum Bahnhof gelaufen um einen Minibus nach Tiflis zu nehmen, der jede Stunde fährt. Als wir dort ankamen, fuhr gerade ein voller Bus ab und es standen bereits circa 20 Leute an der Haltestelle um auf den nächsten Bus zu warten. So viele Leute passen gar nicht in einen Minibus!

Pferde in Stepanzminda

Also haben wir uns entschlossen zu Hitchhiken. Wir liefen dazu etwas aus dem Ort heraus und sahen einige Pferde die Strasse überqueren.

Es dauerte ein bisschen, aber dann hielt tatsächlich jemand an und mein Wunsch ging in Erfüllung: wir wurden von einem LKW Fahrer mitgenommen! Mega krasses Gefühl, soweit oben zu sitzen beim Fahren. Der Fahrer war sehr nett, sprach aber leider kein Englisch. Seine Strecke war von Moskau – Jerewan. Der Arme, das ist ganz schön weit.

Die Fahrt war sehr spannend, da wir auch über einen Pass fahren mussten. Wir fuhren ziemlich langsam natürlich, da der LKW voll beladen war. Wir haben leider nicht herausgefunden, was er transportierte, es scheinen aber irgendwelche Lebensmittel gewesen zu sein. An einer Stelle mussten wir einem anderen LKW ausweichen, wodurch wir ziemlich nah am Abgrund standen. Aber der LKW Fahrer blieb ganz cool, lachte mich aus und fuhr gelassen den Pass entlang. Unten angekommen gab er uns eine Cola und Kekse aus. Ein Abenteuer war das, aber komfortabel war es nicht. In dem LKW haben wir die Fahrbahn mehr gespürt und bei kleinen Löchern/Hügelchen wippten wir hin und her. Wir merkten danach unsere Nacken etwas.

Der LKW Fahrer durfte nicht nach Tiflis reinfahren, weshalb er uns mitten auf dem Standstreifen an einer sehr befahrenen Autobahn aussteigen liess. Felix und ich schauten uns erstmal irritert an und hatten keine Ahnung wie wir wegkommen sollten… Es gab nur die Möglichkeiten zu Fuss den Standstreifen entlang zu laufen oder nochmal zu hitchhiken. Beides kam uns schlecht machbar vor. Aber da täuschten wir uns. Wir standen kaum 10 Minuten, hielt schon ein Autofahrer an und nahm uns mit. Er war Georgier und hatte bereits einige westeuropäischen Länder bereist und war total verliebt in die Deutschen. Er freute sich so sehr über uns, dass er einen totalen Umweg fuhr nur um uns persönlich an unserer Unterkunft abzusetzen. Sehr süss und wahnsinnig gastfreundlich!

Abschied von der Hauptstadt Georgiens

Unsere Unterkunft lag auf einem kleinen Hügel in der Stadt, hatte eine gemütliche Terasse und einen schönen Ausblick. Auf der Terrasse wuchsen Beeren, Granatäpfel und Trauben, woran wir uns bedienen durften. Yammi! Das Highlight war aber der Hund des Hauses: Dante, ein Labrador. Ich war sofort in ihn verliebt, wohingegen Felix etwas Zeit brauchte sich an den wilden Kerl zu gewöhnen. Der Inhaber erzählte stolz, dass er Dante aus Deutschland geholt habe, weil er Deutschland so liebe. Somit hatten wir binnen 5 Stunden zwei Georgier kennengelernt, die Deutschland total toll finden. Erlebt man ja auch eher selten:)

Dante, der Labrador
Dante

Die nächsten beiden Tage liessen wir es ruhiger angehen. Wir erkundeten etwas das Viertel, in dem wir wohnten und gingen libanesisch essen. Am nächsten Tag fuhren wir mit der Seilbahn zur Festung hinauf und liefen dort etwas umher und dann wieder in die Stadt hinunter. Am letzten Tag fuhren wir mit dem Bus nach Vake, einem sehr modernen Stadtteil. Ich war richtig überrascht, weil ich nicht vermutet hatte, so ein Viertel hier anzutreffen. Das Viertel hätte auch Frankfurt sein können: viele Banken, einige Hochhäuser, ein grosser Park, zahlreiche Cafes und Restaurants und endlich mal alternative Angebote. Super!

Hier trafen wir uns auch mit culture tales, zwei Reisenden aus Deutschland und verbrachten einen sehr schönen Nachmittag in einem Cafe. Abends waren wir noch koreanisch essen. Kulinarisch kamen wir in Tiflis endlich mal wieder auf unsere Kosten: das Angebot ist vielfältig und nicht nur traditionell. Natürlich probiere ich auch gerne lokale Spezialitäten aus, aber ich mag eine abwechslungsreiche Küche sehr.

Am Tag darauf waren wir nur in unserer Unterkunft, da wir am Abend nach Almaty geflogen sind. Mit dem Bus waren wir ziemlich schnell und unkompliziert am Flughafen. Dort hatte ich eine sehr spannende Kontrolle: Der Polizist wollte sehr genau wissen, wie mir Georgien gefallen hat und was ich nicht gemocht habe. Für ihn war es auch wichtig, ob die Menschen gastfreundlich waren und ich mich sicher gefühlt habe. So eine Befragung habe ich noch nie an einem Flughafen erlebt, weshalb ich irritiert war, aber dennoch die Fragen ehrlich beantwortet habe.

Normalerweise würde mein Blogeintrag nun enden, aber da mich einige von euch gefragt haben, möchte ich noch kurz auf die aktuelle Stimmung in Georgien eingehen (Stand September 2022)

Die Stimmung in Georgien

Es folgt eine kleine Beschreibung meiner Beobachtungen der letzten Wochen:

Georgien zu bereisen war für mich nicht nur landschaftlich sehr spannend, sondern mich interessierten auch die Menschen. Die Georgier habe ich als offene Menschen erlebt. Sie machen kein Geheimnis daraus, dass sie Angst vor einem erneuten Krieg mit Russland haben und mit der Besetzung von Abchasien und Südossetien nicht einverstanden sind. Auch positionieren sie sich im Krieg sehr auf die Seite der Ukrainer. Wenn man mit offenen Augen durch Georgien läuft, entdeckt man überall kleine, teilweise auch grosse Zeichen, die die politische Haltung deutlich machen:

Das hat mich schon sehr überrascht, dass es sogar auf einem Kassenzettel der Apotheke stand! Die Begründung dafür ist, dass die Georgier ihre Nachbarländer nicht allzu sehr mögen, aber stattdessen eine lange Freundschaft mit der Ukraine pflegen und auf ihrer Seite stehen.
Wir haben das oftmals auch gespürt. Auf dem ersten Blick wurden wir für russische Touristen gehalten und wurden eher unfreundlich behandelt. Sobald die Einheimischen jedoch gemerkt haben, dass wir deutschsprachig sind, wurden sie freundlich und zuvorkommend. Der Wunsch nach internationalen Touristen in Georgien ist gross. Jedoch sprechen vor allem in den ländlichen Gebieten weniger Einheimische Englisch, hier ist Russisch weiterverbreitet. Was natürlich paradox ist…

Denn das ist die Spannung, unter der die Georgier leiden: Einerseits steht die Bevölkerung gegen alles Russische, andererseits sprechen die meisten Einheimischen nur russisch als Fremdsprache. Hinzukommt, dass die Politik vielen russische Landsleute Obhut in Georgien gewährt. So werden in Batumi aktuell die meisten Wohnung an russische Staatsbürger verkauft. Dies sehen die Georgier als kritisch an, da es perspektivisch prozentuall gesehen viele Russen in Georgien geben wird. Ein Georgier meinte auch zu uns, dass er grosse Angst habe, dass dies dann als neue Argumentation für eine grossflächigere russische Besetzung gefunden werden kann.

Georgien

Dieser Konfliktbereich führt zu Unzufriedenheit in der georgischen Bevölkerung und zeigt sich in Protesten wie man z.B. an dem Flyer in Stepanzminda sehen kann.

Wenn man als Reisender ein Gespräch mit Einheimischen anfängt, reden sie schnell ehrlich über die Situation und nehmen keine Hand vor den Mund. Daher habe ich auch die Informationen. Die Offenheit fand ich sehr mutig und hat mich beeindruckt.

Da wir auch mit einem russischen Paar befreundet sind, die nun in Tiflis leben, kenne ich auch die Seite der Geflüchteten. Sie sind jung und wollen in Frieden leben, was ich natürlich verstehen kann. Beide Seiten sind nachvollziehbar für mich, denn „in Frieden leben“ sollte ein Menschenrecht für alle sein.

Ich bin dennoch etwas besorgt, wenn ich an Georgien denke. Das Land ist wunderschön und hat mich total fasziniert. Ein wunderbares Reiseziel! Aber ich sehe auch, dass es ein kleines Pulverfass in der jetzigen Situation ist, was mich beunruhigt. Ich hoffe das Beste für alle Menschen und verbleibe heute mit den Worten….

Peace for the world!

verfasst am 29.September 2022 in Karakol

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