Georgien und Germania

Wie im letzten Beitrag schon angekündigt, hatte ich den grossen Wunsch die Türkei zu verlassen und nach Georgien weiterzureisen. Insbesondere die Tage in Antalya ohne Felix waren für mich nervig gewesen und ich hab einen Kulturwechsel gebraucht.

Einladung zum Cay

Als alleinreisende Frau habe ich die Türkei ganz anders wahrgenommen. Wenn Felix mit dabei war, haben die Türken meist mit Felix kommuniziert, da er der Mann ist. Für mich war das ziemlich entspannt. Kaum war Felix jedoch ausser Sichtweite hatte sich das geändert. Ich bin sehr oft angesprochen worden, am Schlimmsten war es tatsächlich im Meer. Dort wurde ich regelmässig von den türkischen Männern auf einen Cay Tee eingeladen. Aber nicht nur dort, auch im Restaurant, auf der Strasse, im Supermarkt… Also wer als alleinreisende Frau Gesellschaft sucht, ist definitiv in der Türkei richtig. Wem das zuviel ist, sucht sich besser einen (männlichen) Reisepartner.

Ich war froh, als Felix wieder zurück war und wir mit dem Flugzeug nach Trabzon aufgebrochen sind. Eigentlich wollten wir noch nicht so früh während unserer Reise fliegen… Aber die Anreise nach Georgien mit dem Bus wäre einfach zu lange gewesen. Also hat uns Pegasus Airline innerhalb von 1,5 Stunden nach Trabzon gebracht.

Die arabische Stadt

Trabzon hatte ein sehr starkes arabisches Flair, was daran lag, dass viele Touristen aus Saudi Arabien dort sind. Ich habe mich zum ersten Mal in kurzer Kleidung unwohl gefühlt, da ich zwischen den Tschador tragenden Frauen aufgefallen bin. Aber auch die Männer haben lange Hosen getragen, was wir bei solch einer Hitze überhaupt nicht verstehen können. In Trabzon selbst gab es nicht allzuviel zu sehen. Wir sind durch die Altstadt und den Bazaar geschlendet und haben versucht ans Meer zu kommen. Das ist uns leider nicht gelungen, weil es dort überall Baustellen gibt und deshalb der Bereich gesperrt wurde. Schade! Da liegt eine Stadt wie Trabzon schon am Meer und hat keinen Zugang dazu. Wir haben uns an diesem Tag nochmal Baklava und türkischen Cay Tee gegönnt.

Am nächsten Tag sind wir dann mit dem Minibus zur georgischen Grenze aufgebrochen. Der Bus hat uns leider nur zur Grenze gebracht, danach sind wir zu Fuss über die Grenze und uns anschliessend einen neuen Bus suchen. Die Grenze war im Vergleich zu den anderen, die wir bisher gesehen haben, sehr gut organisiert. Es verlief alles reibungslos und innerhalb 1 Stunde waren wir durch. Wir wurden immer wieder von Einheimischen gebeten, ihre Zigaretten über die Grenze mitzunehmen. Das haben wir natürlich nicht gemacht. Stattdessen haben wir beobachtet, wie die Einheimischen die Zigaretten in ihrer Unterwäsche versteckt hatten.

Willkommen in Georgien

In Sarp sind wir über die Grenze gegangen. Sarp soll sehr schön sein, vor allem das Meer. Wir hatten davon leider nicht viel gesehen, weil wir den Minibus nach Batumi suchten. Wir haben uns etwas umgehört, dennoch hatten wir den Minibus nicht gefunden. Also versuchten wir zu hitchhiken, aber auch damit hatten wir kein Glück. Wobei ich dazu sagen muss, dass wir es auch nicht lange probiert hatten… Denn dann kam der Bus der Einheimischen und wir sind eingestiegen. Der Bus war sehr voll. Felix ging zuerst hinein und dann ich, da ich bezahlen wollte. Das ging aber nicht, denn der Busfahrer nahm mein Geld nicht an und mit Kreditkarte durfte ich auch nicht bezahlen. Was wir später erst erfahren haben: Man benötigt zum Busfahren nämlich eine Batumi Karte, die man nur in der Stadt kaufen kann. Also hatten wir diese natürlich nicht!
Also stand ich beim Busfahrer und wusste nicht wie ich bezahlen kann. Dann begann er mich anzuschreien und auch die Damen um mich herum schrien mich auf georgisch an. Ich verstand natürlich kein Wort. Erst als der Busfahrer aufstand, mit der Hand begann zu fuchteln und „allah allah“ schrie, bin ich einfach zu Felix gelaufen, da ich Sorge hatte, dass das noch mehr eskalieren könnte. Der Bus fuhr auch sofort los. Es gab sehr viele Haltestellen, weshalb wir sehr lange nach Batumi gebraucht haben. Bei der einen Haltestelle stiegen zwei Kontrolleure ein. Eine Mitfahrende sagt zu mir, dass wir nun ein Problem haben, da der Kontrolleur uns nun erwische. Ich schaute ziemlich verzweifelt, dann wir hatten ja die Absicht gehabt zu bezahlen, nur eben keine Möglichkeit! Die Mitfahrerin erkannte wohl meine Sorge und sagte dem Kontrolleur, dass wir mit ihr fahren. Somit war es in Ordnung! Wir bedankten uns mehrfach bei ihr. Sie wollte dann wissen, ob wir aus Russland seien. Ich verneinte und sagte „Germany“. Daraufhin strahlte sie und sagte „Germania, good“. Scheint wohl gut anzukommen 🙂

Nach einer nervigen Busfahrt sind wir dann endlich in Batumi in unserem airbnb angekommen. Es lag im 11. Stock mit toller Aussicht!

Gehört Batumi zu Georgien?

Das war eine Frage, die wir uns stellten. Rein geografisch gesehen gehört es natürlich zu Georgien , aber vom Charakter her hat es wenig mit Georgien zu tun. Batumi versucht das georgische Dubai zu sein und baut ein Hochhaus nach dem anderen. Wobei „Hochhaus“ bedeutet: 40+ Stockwerke! Die Orbi Tower neben unserem Gebäude haben 50 Stockwerke und sind einfach riesig! Zum einen ist das sehr beeindruckend, zum anderen denke ich mir, wozu brauchen die so krasse Gebäudekomplexe?

Die nächsten Tage bestanden daraus, dass wir uns die Altstadt ansahen und im Meer baden waren. Die Altstadt selbst hatte süsse Gässchen und allerlei Restaurants und Bars. Der Europa Platz war besonders schön und ich fand die Mosaik Gebäude richtig toll. Falls du meinen Blog schon länger liest, weisst du ja bestimmt, dass ich bunte Häuser liebe 🙂


Felix hat noch an einem Tag den botanischen Garten kurz besucht. Ich hingegen habe versucht mich auszuruhen um gesundheitlich wieder fit zu werden. Dank einer deutschen Bekannten habe ich endlich ein Medikament gefunden, was mir einigermassen hilft. Es wird zwar noch dauern, aber ich denke ich bin auf einem guten Weg!

Besonders schön fand ich die Lichtershow am Abend. Sie findet jeden Abend in der Hauptsaison statt und hat nicht nur beeindruckende Wasserfontänen, sondern auch passende Musik dazu.

Batumi, Georgien, bei Nacht

Entscheidungen über Entscheidungen in Georgien

Der letzte Tag in Batumi war sehr chaotisch. Es war unklar, was unsere nächste Station werden sollte. Zur Debatte standen: Jerewan, Mestia und Tiflis. Geworden ist es: Kutaisi! Mestia (Gebirge) fiel leider raus, da es nur regnen bzw. schneien sollte, was in den Bergen natürlich nicht toll ist. Felix versuchte dann den Nachtzug nach Jerewan zu buchen, was aber nicht möglich war, weil er meinen Reisepass nicht dabei hatte. Also wollte er einen Zug nach Tiflis buchen, die waren aber bereits alle ausgebucht. Also haben wir uns dann für den Zug nach Kutaisi entschieden, was eine Stadt ist, die „mehr georgisch“ sein soll. Felix und ich verabredeten uns dann für 20:00 Uhr am Zugbahnhof mit Reisepass um die Tickets zu buchen. Wir hofften, es würde funktionieren, denn ich habe keinen Internetempfang auf dem Weg zum Bahnhof.

Arier und Germania

Ich wartete also auf den Minibus, welcher leider nicht kam… Nach 40 Minuten vergeblicher Wartezeit entschied ich mich in Richtung Zugbahnhof loszulaufen. Es war bereits 20:00 Uhr und Felix wartete schon auf mich, aber ich konnte ihn leider mangels Internet nicht erreichen. Also entschloss ich mich in den nächstbesten Minibus zu setzen in der Hoffnung, dass er zum Zugbahnhof fährt. Da die Minibusfahrer kein Englisch sprachen, konnte ich leider nicht nachfragen. Die Fahrt war anstrengend. Ein Iraker, der in Georgien lebt, sprach mich auf Russisch an. Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte „Germania“. Da begann er zu strahlen, da seine Kinder wohl in Deutschland leben. Der junge Georgier schaltete sich in das Gespräch ein, da er Englisch sprach und übersetzen konnte. Zu Beginn war das Gespräch ganz nett. Dann jedoch begann er mich als „Arier“ zu betiteln. Ganz dünnes Eis, einen Deutsche als Arierin zu betiteln… Also wies ich ihn zurecht und sagte, dass ich so nicht genannt werden möchte. Das akzeptierte er nicht, sondern er belehrte mich, dass es in Deutschland nur Arier und Kurden geben. Ich versuchte ihn aufzuklären, aber er wurde sehr energisch und versuchte mich in eine seltsame Diskussion über Arier und Kurden zu verwickeln. Darauf hatte ich keinerlei Lust und beendete das Gespräch, indem ich den jungen Georgier fragte, ob er mir kurz einen Hotspot geben möchte. Das gab er mir und ich las die Nachricht, dass Felix auf dem Heimweg sei, weil der Ticketschalter zu sei. Na toll! Da war ich umsonst gefahren! Ich stieg also an der nächsten Haltestelle aus und fuhr mit dem nächsten Minibus wieder zu unserem Airbnb zurück.

Bildung und Reisen

Umso mehr man Europa verlässt, umso eher wird man leider als Deutsche mit den Themen rund um den zweiten Weltkrieg konfrontiert. Das war leider schon immer so auf meinen Reisen, weshalb ich es langsam gewöhnt bin. Das heisst aber nicht, dass ich es toleriere! Ich bin gerne bereit meinen Gesprächspartner über die aktuelle Lage in Deutschland aufzuklären, aber wenn ich merke, dass ich mein Gegenüber mir weder zuhört noch verstehen will, gebe ich auf.

In solchen Momenten wird mir immer bewusst, wie wichtig Bildung ist! Und natürlich Reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

verfasst am 07. September 2022 in Tiflis

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