Während meiner Zeit in Australien und Neuseeland habe ich viele Reisende getroffen, dir mir von „woofing“ und „workaway“ berichtet haben. Also dachte ich, dass ich das auch mal ausprobiere, da ich noch 10 Tage in Auckland übrig habe. Die Hosts klangen auch sehr passend für mich: Ein Päarchen was veganes Essen auf Märkten verkauft und im Hinterland von Auckland wohnt. Man habe viel Zeit zum meditieren und Yoga machen, da man tagsüber nur auf die Hunde aufpassen solle und abends helfen solle das Essen vorzubereiten.
Joa, ich würde sagen, die Beschreibung trifft nicht zu, denn was mich dort erwartete ähnelte eher einer „vegane Psychiatrie“….
Krankheiten…
Nachdem ich vom Bahnhof abgeholt wurde, wurde mir mitgeteilt, dass eine der Hosts einen Magen Darm Infekt habe. In diesem Fall bedeutete es, dass der erkrankte Host in der Wohnung herumschrie vor lauter Schmerzen und sogar den Boden und die Wand voll machte mit Fäkalien. Es war noch eine zweite Aushilfe, Josi, anwesend. Sie hat bereits viele Erfahrungen mit workaway gemacht und ist von dem Konzept sehr begeistert. Aber geschockt, wie es hier in dem Fall umgesetzt wird. Denn unsere Hosts sind beide psychisch krank. Die eine leidet unter Depressionen und ist Autistin. Die andere leidet ebenfalls an Depressionen, Zwangsstörung und ist auch Autistin. Das ist eine tolle Kombination. Und ich als Sozialarbeiterin mittendrin.
Wie es für das Krankheitsbild typisch ist, gibt es hier massenweise Regeln. Am ersten Tag lernte ich alle kennen. Hier ein kleiner Auszug dessen:
- Auf Mülltrennung achten, es gibt 5 verschiedene Mülleimer
- Nie den Hosts im Arbeitsweg herumstehen (Problem ist, dass „Arbeitsweg“ nicht definiert wurde und ich somit permanent im Weg stand)
- keine kleinen Messer zu den großen Messern legen
- das Haus muss atmen, also immer alle Fenster und Türen offen lassen
- jeden Tag muss die Wohnung gesaugt werden, weil die beiden eine Allergie haben etc.
Das Wetter spielte am ersten Tag verrückt, denn ein Zyklon traf auf Auckland. Besonders schön war, dass wir ja die Fenster nicht schließen durften und somit eine sehr laute und kalte Nacht vor uns hatten. Durch den Zyklon hatten wir dann am zweiten Tag keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr. Wir entschieden uns deshalb einen Spaziergang mit den Hunden zu machen. Als wir zurückkamen waren die Hosts nicht zu Hause. Was nicht schlimm wäre, wenn wir Trinkwasser gehabt hätten. Das gab es aber nicht und wir konnten auch nicht aus der Leitung trinken. Wir waren sehr enttäuscht.
Der Arbeitsalltag
Am nächsten Tag hatten wir zum Glück wieder Strom. An diesem Tag haben wir gearbeitet: Ich half dabei, den Food Trailer aufzubauen. Unbegabt begann ich mit der Arbeit. Was nicht das Problem darstellte, sondern die Wutanfälle des Hosts. Sie hatte wenig Frustrationstoleranz und sobald etwas nicht funktionierte, rastete sie aus. Wenn es zwischendurch gut lief, begann sie zu singen. Toller Wechsel!
Den nächsten Tag verbrachten wir wieder mit Saugen und Essen zubereiten. Josi und ich hatten gelernt alles mit Humor zu nehmen und sobald die beiden Hosts außer Hörweite waren, machten wir uns in Deutsch über sie lustig. Anders erträgt man das nämlich nicht!
Was uns sehr dubios erschien war, dass Josi und ich das Haus verlassen mussten, sobald die Host Kunden empfangen haben, denen sie angeblich „schwedische Massagen“ anbieten. Diese dauern 1,5 Stunden mit anschließendem Duschen. Insgesamt mussten wir 2,5 Stunden mit den Hunden das Haus in der Zeit verlassen und davor alle Vorhänge und Fenster schließen… Da wir das wie gesagt dubios fanden, schauten wir an einem Tag in das sogenannte Massage Zimmer und sahen dort diverses Sexspielzeug. Soviel zu dem Thema „schwedische Massagen“. Unserer Meinung nach sind das Massagen mit Happy End.
Du merkst bestimmt schon, dass es mir nicht sonderlich gut hier gefällt. Da das Haus aber weit entfernt vom nächsten Bahnhof liegt, wusste ich auch nicht, wie ich hier wegkommen sollte.
Am Wochenende war Markttag und wir fuhren mit dem Foodtrailer dorthin. Kaum dort angekommen, krachte der Foodtrailer zusammen. Zudem fing es an zu regnen und die Farbe verschmierte, da sie wohl nicht wasserfest war. Damaris besuchte mich auf dem Markt. Sie hatte bereits erfahren wie es mir ergangen ist und wollte sich ein Bild von den Hosts machen. Sie brachte Lara und Tim noch mit und wir genossen die gemeinsame Zeit auf dem Markt und das gute Essen.
Danach mussten wir in den Foodtrailer in die Werkstatt bringen. Die Laune von den Hosts war dementsprechend sehr schlecht. Aber wir blieben eh nicht lange, denn auf Grund einer Massage mussten wir wieder 2,5 Stunden nach draußen…
Es ist vorbei
Am nächsten Tag luden die beiden uns zum Eis essen zu Giapos nach Auckland ein. Hier trennten sich auch unsere Wege. Ich habe mir ein sehr schönes airbnb gegönnt um wieder runterzukommen nach den letzten Tag. Alleine!
Zum Abschluss meiner „workaway“ Erfahrung möchte ich ein kleines Fazit ziehen:
Ich hatte Pech. Grundsätzlich finde ich das Konzept eine super Idee und könnte mir vorstellen, dass auch nochmal auszuprobieren. Aber bei anderen Hosts!
Mir ist in der Woche bewusst geworden, das nichts im Leben einfach so passiert. Im Endeffekt hat alles einen Sinn, nur oftmals ist es so, dass man den Sinn erst später versteht. Meine Grundeinstellung ist, dass das Leben es gut mit einem meint. „Downs“ gehören dazu, damit man die „Ups“ im Leben wahrnimmt und genießt.
Für mich war die Erfahrung ein “ Down“ gewesen, aber ohne sie hätte ich vermutlich meine letzten Tage in Neuseeland nicht derart genossen, wie ich sie habe (dazu noch mehr). Und ich habe eine Welt kennengelernt, in der ich vorher in einem solchen Ausmaß noch nicht war. Das hat mich definitiv geprägt und wird mir später in meinem Arbeitsleben bestimmt noch hilfreich sein.
Nun komme ich noch zu meinen letzten Tagen in Auckland. Ich habe sie wirklich sehr genossen. Meine Unterkunft war wunderbar und das Wetter auch. Ich entschied mich nochmal zu Giapos zu gehen und ein Eis zu essen. Die Inhaber waren so nett zu mir, dass sie mich für den nächsten Tag nochmal zu einer kostenlosen Führung einluden. In dieser lernte ich, dass Eis hier nicht nur etwas zum Essen ist, sondern ein Ort, an dem die Inhaber ihre Kreativität freien Lauf lassen. Sie konstruieren spannende Kreationen wie Eis als Dumpling oder als Donut verkleidet. Das Eis ist zudem vegan und glutenfrei. Ein Highlight also in Auckland, was ja leider für seine Kulinarik nicht gerade bekannt ist.
Ich verabredete mich mit Damaris nochmal in der Innenstadt und auch sie holte sich noch ein leckeres Eis.
Danach hieß es für uns beide Abschied zu nehmen. Ich weiß nicht wie man „gut“ Abschied nehmen kann, denn…
… ich liebe dieses Land! Neuseeland ist einfach ein Land der Superlative für mich
… ich muss mich von meiner Seelenverwandten Damaris trennen
… ich weiß nicht, wann ich sowohl Damaris als auch Neuseeland wiedersehen werde…
In diesem Sinne werden nun ein paar Tränchen fließen. Sowohl aus Trauer als auch aus ewiger Dankbarkeit für all die unvergesslichen, schönen Momente, die ich hier hatte.
verfasst am 19.April 2018 in Auckland